Telemedizin in der Hausarztpraxis

Die hausärztliche Versorgung in Deutschland steht vor zahlreichen Herausforderungen. Es fehlen zum Beispiel Praxisnachfolgerinnen und -nachfolger. Der Anteil der über 60-jährigen Ärztinnen und Ärzte ist mit 36,1% besonders hoch. Der Nachbesetzungsbedarf von Arztsitzen wird in den kommenden Jahren daher stark ansteigen, aber schon heute gibt es bereits zahlreiche offene Stellen für Hausärztinnen und Hausärzte. Welche Rolle spielt Telemedizin in der Hausarztpraxis?

Gerade im ländlichen Bereich können dann für Patientinnen und Patienten sehr weite Fahrtwege für Besuche und Termine in der hausärztlichen Praxis entstehen. Hier könnte Telemedizin ein unterstützendes Element sein.

Allerdings bewerteten Hausärztinnen und Hausärzte in einer Studie das Potenzial der Telemedizin als nur gering wirksam in Bezug auf die hausärztliche Versorgungssicherung. Mehr Potenzial wird hingegen von ihnen in der Stärkung und Effektivierung der hausärztlichen Stellung innerhalb des Gesundheitswesens gesehen.

Im Jahr 2020 boten ca. 10% der Hausarztpraxen telemedizinische Versorgungsleistungen an. Welche das sind und warum diese sinnvoll sein können, darum geht es in diesem Beitrag heute.

Eigene Videosprechstunde

Es wird wieder Herbst, die Atemwegserkrankungen und ggf. die Anzahl der Coronainfektionen steigen wieder an. Die Hausärztinnen und -ärzte können ihren Patientinnen und Patienten in der Regel mittels einer Videosprechstunde ein telemedizinisches Angebot machen, dass

  • die Praxis entlastet
  • die Warte- und Anfahrtszeiten verkürzt
  • das Infektionsrisiko senkt, bei gleicher medizinischer Versorgungsqualität

Natürlich ist die medizinische Sinnhaftigkeit einer Videosprechstunde auch bei vielen anderen Indikationen gegeben, die ohne physische Untersuchung auskommen.

Voraussetzung dafür sind:

  • Anzeige bei der zuständigen KV
  • die Nutzung eines von zertifizierenden Stellen zertifizierten Dienstes gemäß den Regelungen von GKV-Spitzenverband und KBV
  • Einpassung in die Praxisorganisation
  • Berücksichtigung, dass Fallzahl und Leistungsmenge auf 30 Prozent begrenzt sind

Videosprechstunde über einen Telemedizinplattform-Anbieter

Anders als bei einer Videosprechstunde in der Praxis für die eigenen Patientinnen und Patienten, werden bei Videosprechstunden über Telemedizinplattformen, die Technik, die Prozesse, rechtliche Dokumente (z. B. Einverständniserklärung des Patienten) etc. vom Telemedizinplattform-Anbieter bereitgestellt. Die Patientinnen und Patienten haben hier in der Regel keinen persönlichen Bezug zum Arzt bzw. zur Ärztin.

Dies ist insbesondere attraktiv für Ärztinnen und Ärzte, die freie Ressourcen haben, z. B. weil sie gerade eine neue Praxis eröffnet haben, die noch nicht so viele eigene Patientinnen und Patienten hat oder aber nach Übergabe der Praxis an einen Nachfolger, der ehemalige Praxisinhaber noch Interesse hat, in bestimmten Zeitfenstern Patientinnen und Patienten zu behandeln.

Hausärztliche Versorgung von Pflegeeinrichtungen

Anders als bei der Videosprechstunde können Hausärztinnen und Hausärzte auch die Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen telemedizinisch versorgen. Hierfür kann eine Umsetzung, die über die reine Videosprechstunde hinaus geht und weitere Daten berücksichtigt, sinnvoll sein. Gerade in Pflegeeinrichtungen ist medizinisch qualifiziertes Personal tätig, dass das Abhören, Messen von Blutdruck etc. übernehmen kann. Über telemedizinische Lösungen werden die Daten zur Hausarztpraxis übertragen und der Arzt, die Ärztin kann das weitere Vorgehen festlegen.

Hausärztliche Versorgung in Kooperation mit einem TMZ

Die hausärztliche Versorgung von chronisch Kranken, zum Beispiel Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz, kann in Kooperation mit einem Telemedizinzentrum (TMZ) telemedizinisch erfolgen.

Dabei arbeiten die Hausärztinnen und Hausärzte mit Kardiologinnen und Kardiologen eines telemedizinischen Zentrums eng zusammen. Das TMZ informiert den Hausarzt, die Hausärztin über Auffälligkeiten im Telemonitoring und der Arzt, die Ärztin legt das weitere Vorgehen fest.

Für die Teilnahme an der telemedizinischen Versorgung bei Herzinsuffizienz (Telemonitoring Herzinsuffizienz) ist keine spezielle Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung erforderlich. Die Hausärzte übernehmen in dieser Versorgung die Rolle des PBA, des primär behandelnden Arztes. Diese Rolle kann auch beispielsweise von Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzten eingenommen werden.

Alternative telemedizinische Versorgungsformen

Gerade in ländlichen Regionen können Hausbesuche von speziell fortgebildeten MFA (Zusatzausbildung zur hausärztlichen Versorgungsassistentin ((VERAH) , Zusatzausbildung zur nichtärztlichen Praxisassistentin (NäPa)) durchgeführt werden. Mit der Ergänzung einer telemedizinischen Lösung können diese geschulten MFA auch eine assistierte Videosprechstunde aus der Häuslichkeit der Patientinnen und Patienten initiieren. Ähnlich wie bei der Versorgung von Bewohnerinnen und Bewohnern einer Pflegeeinrichtung kann auf die Fachexpertise der MFA und die eingesetzten Medizinprodukte für die Diagnose zurückgegriffen werden.

Fazit

Telemedizin löst keine grundsätzlichen Herausforderungen des deutschen Gesundheitswesens aber kann dabei unterstützen, die hausärztliche Versorgung in den kommenden Jahren sicherzustellen.

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4 Kommentare zu „Telemedizin in der hausärztlichen Versorgung“

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