Telemedizin aus Mecklenburg-Vorpommern

Telemedizin aus Mecklenburg-Vorpommern

Mecklenburg-Vorpommern ist bekannt für seine malerische Küste, seine Seenplatte und seine idyllische Landschaft. Aber es gibt auch Herausforderungen, gerade im Bereich der Gesundheitsversorgung, vor allem in ländlichen Gebieten. Das Bundesland hat eine vergleichsweise geringe Bevölkerungsdichte und viele abgelegene Gebiete, in denen der Zugang zu medizinischen Einrichtungen eingeschränkt sein kann. Viele ländliche Regionen – nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern – sind vom demografischen Wandel besonders betroffen: Dies kann zu langen Anfahrtswegen für Patienten und Patientinnen führen und die Möglichkeit einer regelmäßigen medizinischen Versorgung einschränken. Telemedizin kann zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung in Mecklenburg-Vorpommern beitragen. Nicht umsonst wurde von Gesundheitskommission des Landes im März 2023 auch ein Arbeitsauftrag mit dem Schwerpunkt “Digitalisierung und Telemedizin” definiert.

In diesem Newsletter möchte ich euch vier ausgewählte telemedizinische Lösungen aus Mecklenburg-Vorpommern vorstellen, die auch bundesweit bis international Potenzial haben, die Gesundheitsversorgung zu verbessern.

Start-Up: Guardio

Das Rostocker Start-up „Guardio“ setzt auf die Kombination von künstlicher Intelligenz und Seismokardiographie, um verschiedene kardiologische Diagnoseverfahren zu revolutionieren.

Ein Seismokardiogramm ist eine Aufzeichnung der Vibrationen, die durch die Bewegung des Herzens entstehen. Ähnlich wie Seismographen die Erschütterungen eines Erdbebens aufzeichnen, erfasst das Seismokardiogramm die Schwingungssignale des Herzens. Die so gewonnenen Daten ermöglichen u.a. die Beurteilung der Herzfunktionen – dabei sowohl die mechanische Herztätigkeit als auch elektrophysiologische Funktion. So werden die Diagnose von Herzerkrankungen wie Herzrhythmusstörungen und die Beurteilung der kardiovaskulären Fitness einer Person ermöglicht.

Guardio setzt seine innovative Technologie mit einem Produkt um, das die meisten von uns ohnehin täglich nutzen, dem Smartphone. Der Bewegungssensor des Smartphones erfasst die Bewegungssignale des Herzens. Die künstliche Guardio-Intelligenz „übersetzt“ die so gewonnenen Daten dann zum Beispiel in ein vollständiges 12-Kanal-Elektrokardiogramm (EKG).

Vorteile der Umsetzung

Die Umsetzung mit dem Smartphone bietet zahlreiche Vorteile:

1) Hoher diagnostischer Informationsgehalt: „EKG kann doch meine Apple-Watch auch!?“, werden manche jetzt denken. Aber die Guardio-Technologie ermöglicht ein Mehrkanal-EKG, das sowohl rhythmologische als auch morphologische Pathologien erkennen lässt.

2) Einfache Anwendung: Für EKG-Diagnostik muss nicht mehr auf die Verfügbarkeit eines entsprechenden Messgerätes in der Facharztpraxis gewartet werden, sondern die präzise und hochwertige Messung kann mit dem patienteneigenen Smartphone durchgeführt werden. Mit der Auflage des Smartphones auf dem Brustkorb ist die Positionierung sehr einfach und auch das aufwändige Anbringen von Elektroden durch das Praxispersonal entfällt.

3) Nachhaltige Nutzung: Da diese Innovation ohne die typischen EKG-Klebeelektroden auskommt, wird nicht nur Abfall vermieden, sondern profitieren von dieser elektrodenlosen Messung gerade Menschen, die Unverträglichkeiten haben und empfindlich auf Klebeelektroden reagieren.

Herausforderung

Die genannten Vorteile machen die Guardio-Lösung insbesondere für den telemedizinischen Einsatz interessant. Hier könnte sie beispielsweise im Rahmen von Screenings und Check-ups, in Telemonitoring-Programmen und bei der telemedizinischen Notfalldiagnostik angewendet werden. Bis dahin steht allerdings noch die MDR-Zertifizierung aus.

Darüber hinaus könnte die Technologie in Zukunft auch für bestimmte Implantate und körpernahe Sensoren (Wearables) interessant sein.

Guardio hat für seine innovative Lösung bereits zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter den VisionAward 2023, den Baltic Sea Health Region Innovation Award 2023 und den Eugen-Münch-Preis für innovative Gesundheitsversorgung 2022.

Unternehmen: arztkonsultation ak GmbH

Die telemedizinische Anwendung, die die meisten Menschen kennen, ist die Videosprechstunde. Und die Anwendung Videosprechstunde ist das Markenzeichen der arztkonsultation ak GmbH. Das Schweriner Unternehmen ist ein Anbieter von telemedizinischen Softwarelösungen, der sich insbesondere mit der Videosprechstunde einen Namen im Markt gemacht hat.

Das Unternehmen wurde 2014 gegründet – zu einer Zeit, in der Telemedizin nur in Pilotprojekten, Studien und regionalen Initiativen umgesetzt wurde. Die erste Videosprechstunde in Deutschland war ihrer Zeit weit voraus und das Unternehmen hatte mit wirtschaftlichen Herausforderungen zu kämpfen. Die Neugründung und die Neuaufstellung in 2017 konnte sich insbesondere mit dem pandemiebedingten starken Interesse an Telemedizin ab 2020 stark im Markt positionieren.

Mit mehr als 8.000 regelmäßigen Anwender:innen ist arztkonsultation heute der größte unabhängige Videosprechstundenanbieter in Deutschland. Zu den Nutzer:innen gehören neben Arztpraxen, psychotherapeutischen Einrichtungen und Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) auch Krankenhäuser. Die Videosprechstunde wurde in den letzten Jahren um zahlreiche weitere Features ergänzt, die eine umfassende telemedizinische Versorgung unterstützen. Im Rahmen des Partnerökosystems können auch weitere telemedizinische Anwendungen wie Telemonitoring umgesetzt werden.

Gründer und Geschäftsführer Peter Zeggel ist seit diesem Monat auch Mitglied im Begleitausschuss des Kuratoriums Gesundheitswirtschaft der Ministerpräsidentin des Landes Mecklenburg-Vorpommern.

Leistungserbringer: Long Covid Institut

Seit Januar 2023 bietet das 2022 gegründete Long Covid Institut in Rostock bundesweit Hilfe für Betroffene an. Dabei kommen auch telemedizinische Anwendungen zum Einsatz.

Das Long Covid Institut ist ein innovatives Modellprojekt mit dem Fokus auf Patientenlotsenfunktion und Prävention sowie Beratung von Unternehmen und Kliniken im diagnostischen und therapeutischen Umgang mit Long Covid. Ziel des Instituts ist es, neue Behandlungspfade zu entwickeln und die sektorenübergreifende Vernetzung für eine bestmögliche Behandlung voranzutreiben.

Geleitet wird das Institut von der Long Covid Expertin Dr. med. Jördis Frommhold. Rund 10 Prozent der mit Covid-19 Infizierten, das sind allein in Deutschland Millionen Menschen, leiden unter Langzeitfolgen der Erkrankung. Da die Symptome von Fall zu Fall unterschiedlich und es nicht die eine wirksame Therapie gibt, ist die Betreuung kompliziert.

Nicht alle Betroffenen aus ganz Deutschland können oder wollen den weiten Weg nach Rostock auf sich nehmen. Obwohl in Deutschland bereits zahlreiche Spezialambulanzen und Anlaufstellen für Post-Covid-Betroffene eingerichtet wurden, sind die Plätze begrenzt und die Wartezeiten auf einen Termin oft lang. Hier setzt das telemedizinische Angebot des Instituts an.

Durch telemedizinische Angebote ist es möglich, die Long Covid Expertise des Instituts bundesweit schnell verfügbar zu machen. In Videosprechstunden können beispielsweise Empfehlungen für die Weiterbehandlung in der eigenen Region gegeben, aber auch darüber hinaus Wissen zum Umgang mit der Erkrankung vermittelt werden.

F&E-Projekt: TwIN-MoVe

Neben der allgemeinmedizinischen Versorgung, ist auch die intensivmedizinische Versorgung im Flächenland herausfordernd. Nicht jedes kleinere Krankenhaus kann die notwendigen intensivmedizinischen Kompetenzen 24/7 vorhalten. Die telemedizinische Einbindung beispielsweise der fachärztlichen Expertise einer Universitätsklinik in die Versorgung in einem wohnortnahen Krankenhaus kann hier helfen.

Das Projekt TwIN-MoVe hat das Ziel ein zukunftssicheres Netzwerk an telemedizinischen Zentren zu etablieren. Aktuell sind 5 Krankenhäuser so miteinander verknüpft.

Das Projekt TwIN-MoVe wird durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit Mecklenburg-Vorpommern gefördert.

Mehr dazu lesen?

Forschungsprojekt TwIN-MoVe

Start-Up Guardio

Unternehmen arztkonsultation ak GmbH

Leistungserbringer Institut Long Covid

Gesundheitsversorgung in MV

 

1 Kommentar zu „Telemedizin aus Mecklenburg-Vorpommern“

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