Was sind Telemedizinplattformen, wer nutzt sie und welche Herausforderungen bestehen?
Telemedizinplattformen ermöglichen es Ärztinnen und Ärzten telemedizinische Leistungen zu erbringen. Diese Leistungen umfassen zum Beispiel die Diagnosestellung, die Beratung eines Patienten und die Ausstellung eines Rezeptes. Die Telemedizinplattformen sind selbst keine medizinischen Leistungserbringer, sie stellen die Infrastruktur für die telemedizinische Behandlung bereit und bringen Patienten und Ärzte zusammen.
Anwendungsbereiche
Zwei typische Einsatzbereiche der Telemedizinplattformen sind die Akutversorgung und die Versorgung in Telemedizin-Programmen. Nachfolgend werden beide Anwendungsbereiche kurz vorgestellt.
Akutversorgung
Die wohl bekannteste Anwendung der Telemedizin ist die Videosprechstunde. Sie steht beispielhaft für die synchrone Akutversorgung. Eine Person hat aktuelle gesundheitliche Beschwerden und steht vor der Wahl, den Hausarzt oder die Hausärztin aufzusuchen oder in einer Videosprechstunde das Anliegen zu klären.
Einige Hausärzte und Hausärztinnen bieten genau für ihre Patientinnen und Patienten eine Videosprechstunde an. Alternativ kann sich der Patient oder die Patientin auch direkt an eine Telemedizinplattform wenden und dort seine/ihre Beschwerden angeben. Erscheint die beschriebene Symptomatik für eine ausschließlich telemedizinische Behandlung geeignet, kann die Videosprechstunde stattfinden, entweder zu einem Termin oder innerhalb weniger Minuten Wartezeit.
Unter asynchroner Akutversorgung lassen sich die telemedizinischen Anwendungen zusammenfassen, in denen die Kommunikation zwischen Patient und Ärztin zeitversetzt stattfindet. Es gibt hierfür beispielsweise Anwendungen in der Dermatologie. Wenn eine Person eine Hautveränderung bei sich beobachtet, kann sie entweder den Hausarzt oder die Hausärztin aufsuchen oder direkt einen Termin mit einer Dermatologin oder einem Dermatologen vor Ort vereinbaren.
Stellen wir uns für eine bessere Anschaulichkeit vor, eine Patientin hat eine stark juckende Stelle im Gesicht. Es ist Mittwochnachmittag – die Hausärztin ist nicht verfügbar und ein Anruf bei der Dermatologin resultiert in einem Termin in viereinhalb Wochen. Für die Patientin eine sehr wenig zufriedenstellende Situation. Glücklicherweise gibt es inzwischen telemedizinische Plattformen, die eine asynchrone Behandlung anbieten. Die Patientin fotografiert die auffälligen Stellen und beantwortet noch Fragen zu Symptomen, Medikamenten etc. Ein Dermatologe, der auf der Plattform aktiv ist, kann innerhalb eines definierten Zeitfensters, z. B. 24 Stunden, anhand der Bilder eine Diagnose stellen und ein Rezept für die Patientin ausstellen. Dieses Rezept kann die Patientin noch am gleichen Tag in der lokalen Apotheke einlösen.
Versorgung im Telemedizin-Programm
Anders als bei der Akutversorgung liegt der Fokus der Versorgung im Telemedizin-Programm auf der (gegebenenfalls zeitlich befristeten) Überwachung definierter Parameter. Zum Beispiel im Fall chronisch Kranker in der Überwachung definierter Messwerte (z. B. Temperatur, Blutdruck) oder in Tele-Rehabilitationsprogrammen im Monitoring von Trainingsdurchführung und -erfolgen.
Zu diesen Chroniker-Programmen gehören beispielsweise Telemonitoring bei Herzinsuffizienz oder die Nachsorge in onkologischen Behandlungen. Im Rahmen von Studien wurden auch COVID-19-Erkrankte ab Beginn der häuslichen Isolation bis zur Genesung telemedizinisch überwacht. Der Patient ist in der telemedizinisch versorgenden Einrichtung bekannt und hat in der Regel Messgeräte oder nutzt eine App, um die relevanten Daten sicher an das Telemedizinzentrum zu übertragen. Die telemedizinischen Anwendungen in der Onkologie haben wir zum Beispiel hier dargestellt.
Herausforderungen
Nun werden je nach Einsatz unterschiedliche Anforderungen an die Plattformen gestellt. Die Dermatologin, die gern zusätzliche Patienten und Patientinnen behandelt, hat andere Anforderungen als der Kardiologe, der seine Patientinnen und Patienten mit Implantaten monitoren möchte. Zudem haben die Plattform-Provider auch eigene Interessen.
Telemedizinplattformen suchen Ärzte und Ärztinnen
Eine Telemedizinplattform kann eine Verfügbarkeit von fachärztlichem Rat für Patientinnen und Patienten gewährleisten. So kann sie Menschen mit medizinischen Beschwerden den gewünschten Mehrwert bieten, innerhalb weniger Minuten oder einer vertretbaren Zeit ein Arztgespräch zu vermitteln. Um mit Telemedizin eine Alternative zum Hausarzt/Facharztbesuch zu schaffen, muss die telemedizinische Leistung auch mit den Kostenträgern abrechenbar sein. Die Ärztinnen und Ärzte brauchen daher in der Regel einen Privatarzt- oder Vertragsarztsitz in Deutschland. Die Telemedizinplattformen bewerben also ihre Leistung gegenüber den Patienten und Patientinnen aber auch gegenüber den Ärztinnen und Ärzten.
Für die Ärztinnen und Ärzte ergeben sich auf Telemedizinplattformen Vorteile, sie können mehr Patientinnen und Patienten unabhängig vom Standort und den Praxisöffnungszeiten behandeln und damit auch Menschen in Regionen mit Ärztemangel helfen. Alle patientenadministrativen Prozesse laufen über die Plattform. Die Einrichtung der Software beim Arzt/der Ärztin und die Schulung erfolgen als Service-Leistung der Plattform-Unternehmen, genauso wie die Bewerbung der Plattformleistungen und das „Matching“ der Patienten zu den Ärzten. Das heißt, die Plattform wird zum Beispiel durch geeignete Fragebögen sicherstellen, dass die Fälle, die zum Arzt kommen, keine medizinischen Notfälle sind und es sich grundsätzlich um telemedizinisch behandelbare Fälle handelt. Im Einzelfall bleibt die Entscheidung immer beim Arzt oder der Ärztin, ob sie eine Behandlung aus der Ferne verantworten kann. Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie oder bei anderen ansteckenden Erkrankungen bieten sich telemedizinische Behandlungen auch im Sinne einer Kontaktvermeidung als hilfreich an.
Klingt soweit attraktiv. Allerdings gibt es auch Herausforderungen, beispielsweise: wer einen Privatarzt- oder Vertragsarztsitz in Deutschland hat, hat in der Regel nicht das Problem von zu wenig Patientinnen und Patienten. Im Gegenteil, die Wartezimmer sind voll. Auch wenn die Software einfach zu bedienen ist, muss der Arzt/die Ärztin Zeit finden, sich in die Technik und genauso in die Prozesse der Telemedizinplattform einzuarbeiten. Schließlich kann der Arzt seine und die Ärztin ihre Leistung nach EBM oder GOÄ abrechnen, muss aber auch die Plattform für ihre Dienste bezahlen.
Leistungserbringer suchen Telemedizinplattformen
Und auf der Seite der Kliniken und medizinischer Versorgungszentren stehen die Ärztinnen und Ärzte, die telemedizinische Leistungen im größeren Stil anbieten möchten und dafür geeignete Partner suchen. Für die Versorgung chronisch Kranker muss eine Telemedizinplattform andere Funktionen bieten, z. B.
- Daten aus Messgeräten/Sensoren
- Bewertung der Daten basierend auf definierten Algorithmen (der Fachgesellschaften)
- Visuelle Aufbereitung der Daten
- Patientenaktenfunktionalität
- Verlaufsdarstellung
Die Kliniken suchen Partner, die in der Lage sind, die Prozesse der Klinik als auch ggf. definierte organisatorische oder prozessuale Anforderungen für die telemedizinische Versorgung optimal abzubilden. Einige Telemedizinplattformen bieten beispielsweise komplette Pakete für das Telemonitoring bei Herzinsuffizienz an, welche den Kliniken/MVZ alle organisatorischen, regulatorischen, logistischen und weiteren Bausteine für die Umsetzung dieser Form der telemedizinischen Betreuung liefert.
Tipps für das richtige Match
Wenn man als Arzt/Ärztin telemedizinisch aktiv sein möchte, gibt es die Option, Tools, wie #Videosprechstunde-Services nur den eigenen Patientinnen und Patienten anzubieten. Das erlaubt die größtmögliche eigene Gestaltung des telemedizinischen Services nach dem Motto: „Wem kann ich mit einer Videosprechstunde helfen und wen sollte ich persönlich sehen?“.
Wie finde ich als Arzt/Ärztin die richtige Plattform, auf der ich aktiv sein möchte? Einige Fragen, die bei der Entscheidung helfen können:
- Wie ist die Plattform aufgebaut, welchen Support bekomme ich bei meiner Einarbeitung und technischen oder anderen Problemen?
- Wie gut sind die „Filter“ die die geeigneten Fälle von den ungeeigneten Fällen trennen?
- Was passiert, wenn ich eine Fernbehandlung ablehne?
- Wie flexibel bin ich in der Bereitstellung meiner Zeit für die Plattform?
- Wie frei kann ich meine Zeit mit den Patienten und Patientinnen gestalten?
- Wie sieht die Patientinnen/Patienten-Seite aus? Wer fühlt sich davon angesprochen?
- Wie hoch ist die Service-Fee?
- Wie viele Patientinnen/Patienten muss ich telemedizinisch behandeln, um z. B. den beworbenen Mehrverdienst tatsächlich zu realisieren?
Mehr dazu Lesen?
- Zum Artikel in Journal Onkologie zur Telemedizin in der Onkologie
- Wissenswertes zur Telemedizin
- Mehr zu unserem Hintergrund